Ziegen gegen den Hunger

«Dank den Ziegen kann ich meine Familie ernähren»

Die Kleinbäuerin Marthe Tchere aus Bokyo im Tschad war eine der ersten, die sich dem Ziegenprojekt von SWISSAID angeschlossen hatte. Dank den Tieren kann sie heute ihre Familie ernähren, eigenes Geld verdienen und damit ihre Kinder zur Schule schicken. Und handelt sich damit den Respekt der Männer im Dorf ein.

Die Fakten

Land, Region:
Tschad, Regionen Guera, Logone Oriental und Mandoul
Dauer:
Januar 2020 - Dezember 2025
Begünstigte:
21'200 Direktbegünstigte (Frauen)
Gesamtprojektbudget:
750'000 CHF

Die Ziele

In diesem Projekt setzt sich SWISSAID für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung im Tschad, insbesondere der Kleinbäuerinnen, ein. Die Frauen erhalten Ziegen, die sich positiv auf die Gesundheit ihrer Familie, auf die Bildung, auf die Bodenfruchtbarkeit und auf die Gemeinschaft auswirken. Die Ziegenhaltung macht die Frauen unabhängiger und selbstsicher, und lässt sie hoffnungsvoller in die Zukunft blicken.

Fünf Ziegen streifen meckernd durch den ockerfarbenen Hof von Marthe Tchere. Klein und gross, weiss, grau, braun und gefleckt sind sie. Die herzigen Tiere lenken die Kinder von ihren Aufgaben auf dem Hof ab und suchen unter ihren T-Shirts nach etwas Essbarem. Djamila, Midikoss, Kora, Mindi-Kilmi und Maguirapo heissen die Ziegen und gehören zur Familie Tchere.

Die robusten Tiere sind der Stolz der ganzen Familie. Für Marthe sind sie mehr als bloss Nutztiere. Sie verändern das Leben der Kleinbäuerinnenfamilie im Tschad nachhaltig und lösen einen positiven Kreislauf aus: Das Tier gibt nahrhafte Milch für die Kinder. Der wertvolle Dünger erhöht die Ernte auf dem Feld. Und mit dem Verkauf der Jungen erlangen die Frauen finanzielle Unabhängigkeit. Und ermöglichen somit den Kindern eine Schulbildung.



Ziegen – gut für die Gesundheit

Am nächsten Morgen: Vor dem Haus aus Ziegelsteinen und Stroh sucht Djamila, die älteste der Ziegen, die Nähe von Marthe. Es ist Zeit zum Melken. Das ist die Aufgabe von Marthes Sohn René. Zwischen vier und fünf Liter Milch liefern die Ziegen täglich. Ein Segen. «Früher hatten wir häufig nicht genug zu essen », erzählt Marthe traurig. Wegen der Trockenheit wurde die Nahrung häufig knapp. «Damit meine Kinder wenigstens am Abend etwas zu essen hatten, sammelte ich oft Seifenbaumblätter von den Bäumen und kochte daraus einen Brei», so Marthe. Dank der Ziegen seien die Kinder nun gut versorgt. Die Ziegenmilch liefert den Kindern Proteine und Kalzium. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist die Zusammensetzung der Ziegenmilch ideal. «Und sie schmeckt gut», lacht Marthe.

Der 8-Jährige René Chadallah, Marthes Sohn, freut sich, wenn er Ziegenmilch bekommt. Jeden Morgen melkt er die Ziegen und teilt die Milch mit seinen Brüdern und Schwestern.

 

Ziegen – gut fürs Portemonnaie

«Zum ersten Mal in meinem Leben verdiene ich mein eigenes Geld», erzählt Marthe stolz.  Ein verkauftes Zicklein bringt ihr rund 10’000 bis 20’000 FCFA ein (18 bis 36 Franken). Damit kann sie Essen einkaufen, wenn die Ernte vom eigenen Feld nicht reicht. Vorher verdiente sich Mathe zusätzliches Geld als Pflügerin bei wohlhabenderen Menschen. So konnte sie zumindest etwas Hirse kaufen zum Essen.

Ziegen – gut für die Bildung

Die 22-jährige Berthe ist eine von Marthes älteren Töchtern. Sie berichtet von der Unterstützung, die ihre Mutter ihr durch die Ziegen geben konnte:

Ziegen – gut für die Böden

Marthe hat im Projekt eine Menge gelernt. Sie weiss nun, dass sich die robusten Tiere bestens an die von der Klimakrise geprägte trockene Region anpassen können. Bevor sie die Ziegen erhielt, hat sie eine Schulung in Ziegenhaltung besucht – wie man sie richtig füttert, melkt und pflegt. Und in Landwirtschaft-Workshops hat Marthe mehr über Ziegen-Dung gelernt. Sie weiss jetzt, wie sie den Dung verarbeitet und auf dem Feld richtig verwendet. Der Dung stellt die Fruchtbarkeit des Bodens wieder her und fördert das Wachstum der Pflanzen. Das garantiert ertragreiche Ernten und volle Teller. «Seit ich den Ziegen-Dung auf dem Feld ausbringe, wachsen der Mais und die Okra-Schoten viel besser.» Die ersten Hirseblätter auf ihrem Feld leuchten in einem satten Grün und kündigen eine reiche Ernte an.

Bevor Marthe eigene Ziegen hielt, sah ihr Leben ganz anders aus. Die 35-Jährige weiss, was es bedeutet, inmitten einer landesweiten Hungersnot und extremer Armut ums Überleben zu kämpfen. «Früher konnte ich meine Familie kaum durchbringen», erzählt die Kleinbäuerin.

Ziegen – gut für die Gemeinschaft

Dank den Ziegen kann Marthe heute nicht nur ihre Familie ernähren, sondern wird auch von den Männern im Dorf respektiert. Das war nicht immer so. Die Männer waren am Anfang misstrauisch, als die Frauen neu Ziegen hielten. Denn bis anhin gab es keine einzige Viehhalterin im Dorf. Und die Finanzen waren Angelegenheit der Männer. Als die Frauen ihre Ziegen aber vermehren und die ersten Tiere verkaufen konnten, haben die Männer ihre Meinung geändert. «Seit wir finanziell unabhängiger sind, hat sich unsere Stellung und unser Ansehen in der Dorfgemeinschaft deutlich verbessert – gerade unter den Männern», freut sich Marthe.

Ziegen – gut für die Zukunft

Marthe hat grosse Pläne für die Zukunft. «Ich möchte meine Herde weiter vergrössern, damit meine Kinder weiterhin zur Schule gehen können und eine Chance auf eine Ausbildung haben. Das wünsche ich mir von Herzen. Wenn meine Mutter Ziegen gehabt hätte…», sinniert sie, während sie sich wieder ihrer Arbeit zuwendet.

Die Chancen, dass sich das Leben der Tcheres und der anderen Familien in der Region weiter verbessert, stehen gut. Denn das Konzept mit den Ziegen ist so simpel wie erfolgreich: Die vier weiblichen Ziegen, die Marthe und drei weitere Frauen von SWISSAID erhielten, gebaren Zicklein, die die Frauen an vier weitere verschenkten. Diese gebaren wiederum Zicklein und so weiter. Heute hat jede Frau im Dorf mindestens eine Ziege, die meckernd durch den Hof streift.

 

Haben Sie gewusst?

Ziegen…

  • haben keine Zähne im Oberkiefer
  • sind Wiederkäuer und Pflanzenfresser, die vorwiegend Gräser und Kräuter zu sich nehmen, aber auch an Büschen knabbern
  • weisen oft einen jahrezeitlichen Fellwechsel mit Veränderung der Felllänge und -färbung auf
  • beider Geschlechter tragen Hörner. Die Hörner der Weibchen sind kurz, dünn und nur leicht gebogen, die der Männchen kräftig nach hinten gebogen und spiralig eingedreht
  • gehören zu den wirtschaftlich meistgenutzten Haustieren
  • sind in der Wildnis in ihrem Bestand bedroht
  • leben vorwiegend in gebirgigen Regionen – sie kommen in Asien in Gebieten über 6000 Metern vor – aber auch in Steppen und Wüstengebieten
  • sind oft dämmerungsaktiv und gehen am frühen Morgen oder späten Nachmittag auf Nahrungssuche
  • Weibchen leben mit ihrem Nachwuchs oft in Gruppen, während Männchen meistens einzelgängerisch bleiben und sich nur zur Paarungszeit der Gruppe anschliessen