Vor fast einem Jahr schlug Niger Alarm: Katastrophale Wetterbedingungen hatten die Ernten eines ganzen Jahres vernichtet. Millionen von Menschen waren vom Hunger bedroht. Issoufou Abdou Djibo, Projektverantwortlicher von SWISSAID Niger, erinnert sich an die Bedingungen im Südwesten des Nigers Ende 2021: «Die Lage in den Dörfern war schlimm. Einige waren überschwemmt worden, andere hatten seit Monaten keinen Regen mehr gesehen. Uns war klar, dass wir den Bauern vor den nächsten Regenfällen Saatgut verteilen müssen.»

SWISSAID lancierte sofort ein Nothilfeprojekt, um der betroffenen Bevölkerung in der kritischen Zeit bis zur nächsten Ernte im Oktober 2022 mit Lebensmittelpaketen beizustehen.

Mehr zu den ersten Etappen der Nothilfe erfahren

Alles beginnt im Boden

Die Pakete halfen zwar, die grösste Not zu lindern. Doch die Lebensgrundlage der ländlichen Regionen, in denen 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben, ist das Saatgut. Aber nicht konventionelles Saatgut. Die Klimakrise zwingt die Bäuerinnen und Bauern, sich den veränderten Bedingungen anzupassen.

«Wir brauchen jetzt widerstandsfähiges, klimaresistentes Saatgut, denn die Regenzeit hat sich verändert. Sie beginnt später, ist heftiger oder es fällt gar kein Regen», erklärt Hamadou Sabo, Departementsvorsteher und Bauer. Dazu muss aber der Zugang zum Saatgut verbessert werden. Oder in den Worten des nigerianischen Landwirtschaftsministers ausgedrückt: “Die Förderung von zertifiziertem Saatgut darf nicht bei der Produktion aufhören, sondern muss bis zum Vertrieb gehen. Es müssen zwingend private Vertriebswege für die Produzenten geschaffen werden.”

Klimaresistentes Saatgut

Bäuerinnen und Bauern haben über Jahrtausende eine unglaubliche Sortenvielfalt geschaffen, die Ernährungssicherheit, Gesundheit und dauerhafte Anpassungsfähigkeit in Zeiten des Klimawandels gewährleistet. Ihre Spende für regionales, hochwertiges Saatgut ist eine Spende gegen den Hunger auf dieser Welt.

Messen für vergessenes Saatgut

Zu diesem Zweck organisierte SWISSAID Niger verschiedene Saatgutmessen, zu denen sie die Bauern und Bäuerinnen der umliegenden Gemeinden, aber auch Bauernbewegungen, die Regierung und lokale Behörden und NGOs einlud. An den Messen bot sich die Gelegenheit, Saatgut zu kaufen, die Behörden für die Problematik des Zugangs zu Saatgut zu sensibilisieren und die Agrarökologie vor dem Hintergrund der Klimakrise zu fördern.

Im Oktober 2022 fand in Margou Bene, in der Region Dosso, die letzte Saatgutmesse statt. Während fünf Tagen wurden lokale Sorten vorgestellt und verkauft, die nur noch selten genutzt werden und fast in Vergessenheit gerieten. Diese traditionellen Nutzpflanzen, wie zum Beispiel Bambara-Erdnuss, Fonio-Hirse, Lablab-Bohne, Augenbohne, Wasserbrotwurzel und Yams stellen eine zukunftsfähige Lösung dar. Sie sind günstig, wachsen schnell, sind an das lokale Klima angepasst und können dank ihrem hohen Nährwert viele Menschen ernähren.

Um den Bäuerinnen und Bauern in der Region hochwertiges Saatgut zugänglich zu machen, organisierte SWISSAID Niger Saatgutmessen. Hier ein Stand an der Oktobermesse in der Region Dosso.

Zahlreiche Vorteile

Die Besucherinnen und Besucher, die sich zwischen den Ständen durchschlängelten, schienen überzeugt. Die Begünstigten des Nothilfeprojekts erhielten einen Gutschein im Wert von 10’000 FCFA, um das ausgestellte Saatgut zu kaufen. Für Mahamadou, einen Bauern aus Dosso, war es eine Premiere. «Ich habe noch nie mit diesen Sorten gearbeitet. Man sagte uns, dass sie einen guten Ertrag abwerfen. Deshalb möchte ich damit experimentieren. Zudem sind die Preise erschwinglich.»

Djibo Bagna, Vorsitzender der Bauernvereinigung von Niger, setzte sich an der Messe begeistert für diese Initiative ein. «Dieses Saatgut hat einen viel kürzeren Reifezyklus und braucht anstatt vier nur noch zwei Monate zum Reifen. Ausserdem kommt das Saatgut von hier und gehört den lokalen Bäuerinnen und Bauern». Djibo hofft, dass die Messe in Dosso als Inspiration für weitere Messen im ganzen Land dient und der Zugang zu besserem Saatgut weiter vereinfacht wird. Der Landwirtschaftsminister äusserte die Absicht, den Verkauf von resistentem Saatgut direkt auf den lokalen Märkten zu fördern. SWISSAID Niger möchte dies in zukünftigen Projekten sicherstellen. Ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Selbstständigkeit der Bevölkerung.

Die Begünstigten des Nothilfeporjekts erhielten je ein Gutschein im Wert von 10’000 FCFA, um ausgestelltes Saatgut zu kaufen.

Weniger abhängig von Weizen

Die Messe bot auch die Gelegenheit, die Agrarökologie zu fördern und Initiativen zu unterstützen, die die Abhängigkeit vom Weizen verringern. Dazu wurde ein Wettbewerb organisiert, an welchem Bäckerinnen und Bäcker aus der Region ihre besten Kreationen aus lokalem Getreide zeigten. Am letzten Tag der Messe präsentierten die Teilnehmenden ihre hergestellten Brote und Croissants den Besucherinnen und Besuchern. Die drei Erstplatzierten erhielten jeweils 1’000’000 FCFA (ca. 1’800 CHF), alle übrigen 500’000 FCFA (ca. 900 CHF). Im Gegenzug verpflichteten sie sich, Backwaren aus lokalem Getreide zu einem für die Konsumentinnen und Konsumenten erschwinglichen Preis zu produzieren.

Die drei Gewinnerinnen und Gewinner des Backwettbewerbs zusammen mit Mahamane Rabilou Abdou, Leiter des Niger-Büros, und Markus Allemann, Direktor von SWISSAID.

Nothilfe wirkt

Unser Nothilfeprojekt war ein grosser Erfolg. Dies war nur möglich dank unseren grosszügigen Spenderinnen und Spender, die das Nothilfe-Projekt unterstützt haben. Dank ihnen können die Menschen im Niger aufatmen und sind vorerst von einer grossen Hungersnot verschont.

Peter Aeberhard, Programmverantwortlicher von SWISSAID

Der Erfolg in Zahlen

  • 68’894 Menschen erhielten Lebensmittelpakete
  • 470’000 Kilogramm verteilte Nahrungsmittel mit Getreide, Speiseöl und Salz
  • 9’400 verteilte Lebensmittelpakete für Familien
  • 5’500 Familien erhielten Gemüse-Saatgut
  • 11’400 verteilte Säckchen à 500 g Zusatznahrung für Kinder
  • 10’400 Bäuerinnen und Bauern erhielten Gutscheine à 10’000 FCFA für den Kauf von Saatgut
  • 436 Bäuerinnen und Bauern erhielten eine Agrarökologie-Ausbildung