Seit die Menschen Landwirtschaft beziehungsweise Gartenbau betreiben, waren sie auch Züchter. Es war für sie eine Selbstverständlichkeit, eigenes Saatgut zu produzieren, indem sie die besten Pflanzen auswählten und weiter züchteten. So entstanden aus den wilden Vorfahren die heutigen Kulturpflanzen und dies in einer immensen Vielfalt verschiedener Sorten. Diese Sortenvielfalt ist allerdings in jüngerer Zeit zunehmend gefährdet: Im 20. Jahrhundert sind 75 % der Pflanzensorten verlorengegangen. Inzwischen kontrollieren vier grosse Saatgutfirmen (Syngenta, Bayer, Corteva und BASF) über die Hälfte des globalen Saatgutmarktes.

Regulierung zugunsten der Konzerne

Eigentlich sollte jede Bäuerin und jeder Gärtner frei wählen können, ob er bzw. sie Saatgut einkauft oder eigenes Saat­gut herstellt und mit anderen tauscht. Doch dies wird durch eine Reihe von Bestimmungen verhindert: Der Sortenschutz regelt das geistige Eigentum auf Saatgut und schützt den Saatgutzüchter davor, dass andere Saatguthersteller sich seine Sorte aneignen und (sozusagen als Raubkopie) als eigenes Produkt verkaufen. Über die Jahrzehnte wurden die Bestimmungen aber zunehmend verschärft, so dass es heute in vielen Ländern verboten ist, betroffenes Saatgut weiter zu vermehren, ohne den Züchter dafür zu entschädigen. Dies ist vor allem für Kleinbäuerinnen und -bauern im Süden ein Problem, da sie sich nicht leisten können, jedes Jahr teures Saatgut zu kaufen. Die grossen Agrarkonzerne lassen ihr Saatgut zudem zu­ nehmend patentieren. Obwohl Saatgut keine Erfindung ist und daher nicht patentiert werden dürfte, erteilt das europäische Patentamt, das auch für die Schweiz zuständig ist, laufend Patente auf Saatgut.

Dies ist verheerend, da Patente im Gegensatz zum Sortenschutz auch anderen Züchtern verunmöglicht, mit den entsprechenden Sorten weiter zu züchten. Dies führt zu einer zunehmenden Monopolisierung des Saatguts und letztlich unserer Lebensmittel durch die grossen Agrarkonzerne.

 

Sortenkatalog

In vielen Ländern gibt es zudem Regulierungen, was als Saatgut gehandelt werden darf. Nur Saatgut von Sorten, welche getestet und in einen Sortenkatalog aufgenommen wurden, darf unter die Leute gebracht werden. Allerdings sind die Kriterien derart strikt, dass sie praktisch nur Sorten erfüllen können, welche für die industrielle Landwirtschaft entwickelt wurden. Traditionelle oder von Bäuerinnen und Gärtnern gezüchtete Sorten bleiben aussen vor. Glücklicherweise gibt es zumindest in der Schweiz gewisse Ausnahmen.

In Zukunft brauchen wir vielfältiges Saatgut dringender denn je; beispielsweise gibt es Samen, die mit den zunehmenden Hitzeperioden gut zurechtkommen. Andere Sorten kommen mit weniger Nährstoffen aus oder widerstehen natürlicherweise Schädlingen und Krankheiten und können so dazu bei­ tragen, die Landwirtschaft weniger abhängig von Pestiziden und Kunstdünger zu machen. Und nicht zuletzt ermöglichen sie gerade den Menschen in den ärmeren Weltgegenden, sich günstig mit Saatgut zu versorgen und Lebensmittel herzu­ stellen, welche ihnen ermöglichen, sich genügend und gesund zu ernähren. Es ist daher höchste Zeit, die Saatgutregulierung anzupassen.

Was ist in der Schweiz erlaubt?

Die Schweiz ist in Sachen Saatgutregulierung deutlich liberaler als andere Länder. Auch Saatgut, das dem Sortenschutz untersteht, darf in vielen Fällen (z.B. bei Kartoffeln oder Weizen) frei weitervermehrt werden. Dies allerdings nur für den Eigengebrauch und nicht für den Verkauf oder die Weitergabe an andere Bäuerinnen oder Gärtner.

Auch hier dürfen grundsätzlich nur Sorten gehandelt werden, welche in der Sortenliste des Bundes oder eines EU-Landes aufgeführt wurden, nachdem sie ausgiebig geprüft wurden. Allerdings gibt es in der Schweiz eine erleichterte Zulassung für sogenannte «Nischensorten», welche nur in kleinen Mengen angeboten werden. Gänzlich von der Regulierung ausgenommen ist Saatgut, das in Kleinpackungen für Hobbygärtner angeboten wird.

Dieser Artikel ist erstmalig in der August-Ausgabe des Magazins «Gartenfreund/Jardin vivant» erschienen. Hier können Sie den Artikel im PDF-Format lesen.