SWISSAID bittet den Bundesrat, mehr Mut zu zeigen und die Messlatte für die Internationale Zusammenarbeit der Schweiz (Schweizer IZA) höher zu setzen. Die Prinzipien der gegenseitigen Hilfe und Solidarität sollen wieder im Mittelpunkt der Schweizer IZA stehen. Die Schweiz hat die Möglichkeit, den Kampf gegen die Armut positiv zu beeinflussen. Die strategische Ausrichtung der Schweizer IZA muss einen globalen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten und nicht die eigenen Interessen als Grundlage haben. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Schweizer IZA ein grosses Fachwissen in Bereichen wie Ernährungssicherheit, Förderung der Demokratie und Stärkung der Menschenrechte angeeignet. Dieses Wissen stellt ein Kapital dar und seine Verbreitung soll Priorität geniessen. Zur angestrebten Effizienz gehört auch eine auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der geografischen Regionen abgestimmte IZA. So macht es für Lateinamerika Sinn, dass sich die Schweizer IZA auf die Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten konzentriert. Angesichts der politischen Schwierigkeiten auf dem Subkontinent hätte ein Ende der Schweizer IZA in Lateinamerika verheerende Folgen für die betroffene Bevölkerung. Ein nach geografischen Regionen differenzierter thematischer Fokus stellt sicher, dass die Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit gut investiert sind.

Die Unterstützung muss den am stärksten benachteiligten Menschen in den Entwicklungsländern zugutekommen. Investitionen in Projekte, deren einziger Zweck darin besteht, innenpolitische Debatten zu befriedigen, braucht es nicht: Es ist inakzeptabel, dass für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit bestimmte Gelder die Betreuung von Asylbewerbern in der Schweiz finanzieren. Es ist des Weiteren unerlässlich, für den Klimaschutz – ausserhalb des Budgets der Entwicklungszusammenarbeit – neue Quellen zu finden.[1] Der Vorschlag des Bundesrates, 0,45 Prozent (0,40 Prozent bei Abzug der Asylkosten) des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, ist unannehmbar. Der Bundesrat muss zumindest das Ziel des Parlaments respektieren, 0,5 Prozent des BNE für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. Angesichts eines Budgetüberschusses von 2,7 Milliarden Franken pro Jahr – und in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren – muss der Bundesrat den Anteil, wie von der Agenda 2030 vorgesehen, auf 0,7 Prozent erhöhen. Ansonsten vernachlässigt er die internationalen Verpflichtungen.[2]

SWISSAID ist der Ansicht, dass die Agenda 2030 der Schweizer IZA als Kompass dienen sollte, da dadurch einige Lücken im Vorschlag des Bundesrates geschlossen werden: Über 800 Millionen Menschen leiden weltweit immer noch an Hunger, vorwiegend in ländlichen Gebieten. Frauen sind am stärksten von Armut betroffen. Immer mehr autoritäre Regierungen kommen an die Macht. Dennoch werden im Vorschlag des Bundesrates der Kampf gegen Armut, die Ernährungssicherheit, die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Geschlechtergleichstellung nicht berücksichtigt. Die Botschaft zur Schweizer IZA 2021-2024 muss die zu verfolgenden Ziele und die dazugehörige Strategie, welche sich im Rahmen der Agenda 2030 befinden müssen, klar definieren. Der Bund muss auch die Kohärenz der schweizerischen Aussenpolitik sicherstellen. Dies ist im Übrigen eine wiederholte Forderung der OECD an die Schweiz. Die Fiskal- und Finanzpolitik der Schweiz sowie die Handelspolitik tragen in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung, wie die jüngsten Medienberichte zeigen.

Abschliessend ein positives Wort: Wir begrüssen es, dass der erläuternde Bericht des Bundesrates zur IZA 2021-2024 – zum ersten Mal – einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Es liegt an den verschiedenen Akteuren der Internationalen Zusammenarbeit, der Bevölkerung zu erklären, was Entwicklungszusammenarbeit ist und was sie mittel- und langfristig für die Schweiz bedeutet.

 

[1]  Zur Erinnerung: Gemäss dem Pariser Klimaabkommen muss die Schweiz ab 2020 neben der Entwicklungszusammenarbeit jährlich 1 Milliarde Franken zur internationalen Klimafinanzierung beitragen.

[2] Zum Vergleich: Länder wie Schweden, Luxemburg, Norwegen, Dänemark und Grossbritannien geben jedes Jahr bis zu 1% ihres BNE für die Entwicklungszusammenarbeit aus.