Welche Auswirkungen des Klimawandels stellen Sie vor Ort fest?

In den letzten zehn Jahren haben wir festgestellt, dass sich die Jahreszeiten stark verändert haben; die Niederschläge sind intensiver und führen zu Überschwemmungen, dauern aber oft weniger lang, oder sie beginnen zu früh oder zu spät. Diese Veränderungen machen in den Dörfern die Planung der landwirtschaftlichen Saison sehr schwierig. In diesem Jahr hat der starke Regenmangel einen grossen Teil unserer Erträge vernichtet: Die Regenfälle, die normalerweise von Juli bis Oktober dauern, hörten im August plötzlich auf. Die ungenügende Bewässerung führte zu Verlusten von bis zu 80 %. Wie werden sich die Bauernfamilien ernähren, nachdem diese magere Ernte aufgebraucht ist?

Berichte von Bäuerinnen im Kampf gegen den Hunger finden Sie hier

Wie steht Niger zu den Verhandlungen über die Verringerung der Treibhausgasemissionen, die zum grössten Teil von den Industrieländern des Nordens verursacht werden?

Für uns ist es wichtig, dass Niger sich mit der gemeinsamen afrikanischen Position zu den auf der COP 26 anstehenden Fragen solidarisch zeigt. Wir brauchen Investitionen in den gemeinsamen Klimaplan für die Sahelzone, damit unsere Länder sich an den Klimawandel anpasssen können, und Unterstützung für Projekte wie zum Beispiel die so genannte «Muraille verte» («Grüne Mauer»)-Initiative in der Sahara und der Sahelzone, um die Wüstenbildung zu stoppen. In Niger selbst sollte die Regierung finanzielle Mittel zur Verfügung stellen können, damit unsere Bevölkerung Projekte im Kampf gegen den Klimawandel umsetzen kann. Ein wichtiger Punkt ist die Unterstützung der Agrarökologie, eine Form der Landwirtschaft, die an die Klimarisiken angepasst ist und den Veränderungen standhält. Die Agrarökologie ermöglicht es uns, unsere natürlichen Ressourcen zu schützen und stärken und selbst lokale Pflanzen- und Tierarten zu entwickeln, die an diese schwierigen Bedingungen angepasst sind. Sie erlaubt es, eine Reihe von Produkten zu produzieren, um unsere Familien zu ernähren und die Märkte der Region zu beliefern, statt nur von einer oder zwei Pflanzen abhängig zu sein.

Bericht: «Autonomy through Agroecology» (ENG, PDF)

Welche Massnahmen würden Sie den Regierungen und der Industrie im Norden empfehlen?

Ich würde empfehlen, den Ausstoss von Treibhausgasen (THG) im Einklang mit den verschiedenen Konventionen und Vereinbarungen zu reduzieren. Die Nutzung fossiler Brennstoffe und deren Subventionierung sollte eingestellt werden, und wir sollten auf kohlenstoffarme Technologien umstellen. Ebenfalls wäre es sehr wichtig, das Versprechen einzuhalten, 100 Milliarden Dollar aufzuwenden, wobei der Schwerpunkt auf der Anpassung an den Klimawandel für Natur und Menschen liegen sollte.

Was erwarten Sie von Ihrer Regierung in Niger?

Wir befürworten die Einrichtung eines nationalen Klimafonds, um die Bevölkerung und insbesondere die am stärksten durch den Klimawandel gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu unterstützen. Die Agrarpolitik und -programme sollten sich auf die Agrarökologie konzentrieren. Ferner sollte die effektive Beteiligung von Jugendlichen und Frauen an Klimaprojekten unterstützt werden. Frauen, weil sie die Hauptproduzentinnen sind und sie die Familien ernähren, und junge Menschen, weil die nächste Generation motiviert werden muss, sich in der Landwirtschaft zu engagieren. Generell sollte die nigrische Bevölkerung stärker für den Klimawandel sensibilisiert werden; die Information in Schulen sollte gefördert werden, ebenso die Information der Bäuerinnen und Bauern sowie der Haushalte allgemein.

Welche Massnahmen ergreifen Sie auf Ihrer Ebene?

Mit SWISSAID sensibilisieren wir so viel wie möglich die Landbevölkerung für das Klima. Wir stärken die Anpassungsfähigkeit von Bauernfamilien an Krisenzeiten. Wir setzen uns auch für eine Politik ein, die den Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung in den verschiedenen Sektoren und Programmen, die hier in Niger durchgeführt werden, Rechnung trägt. Und schliesslich investieren wir Mittel in die Wiederentdeckung und Förderung alter und etwas in Vergessenheit geratener Pflanzensorten, die widerstandsfähiger gegen Unwetter, Wassermangel, Schädlinge und Krankheiten sind, um die Nahrungsmittel- und Ernährungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.