Dürre, Hunger, Terror: Im Niger sind 2,8 Millionen Menschen akut von Hunger bedroht. Schuld daran sind bereits bestehende Konflikte und der Klimawandel. In den letzten Monaten hat es kaum geregnet. Zu der Dürre kommen nun noch die Sanktionen als Folge der Regierungskrise. Weite Teile der Bevölkerung sind von der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern abgeschnitten. Die Menschen stehen vor dem Nichts. SWISSAID hilft schnell mit einem Notfallplan aus Essenspaketen und Saatgut.
Die Fakten
Die Ziele
Die wichtigsten Massnahmen sind die Verteilung von Nahrungsmittelpaketen an die Schwächsten sowie die Verteilung von Saatgut an einer Saatgutmesse. Diese zielt darauf ab, Kleinbäuerinnen und –bauern dabei zu unterstützen, ihre agrarökologischen Produktionskapazitäten auszubauen.
Vertrocknete braune Felder, leere Getreidespeicher, kein grünes Pflänzchen weit und breit; die hungernden Frauen, Kinder und Männer sitzen schattensuchend vor ihren kleinen Strohhütten. Kinder weinen. Wenige Tage später: sintflutartig prasselt der Regen auf das Land herunter, die heftigen Regenfälle überschwemmen das Land, die Felder stehen unter Wasser.
Mamoudou Mahamadou, Kleinbauer und Familienvater aus Kieché im Südwesten des Nigers, erlebte diesen Albtraum letztes Jahr. Erst musste er hilflos mitansehen, wie seine gesamte Ernte vertrocknete und später der Regen seine Felder überschwemmte. Die Menschen befürchteten das Schlimmste, Millionen von Menschen waren vom Hungertod bedroht. Auch Djamila Abdoulaje musste die Hoffnung auf eine gute Ernte aufgeben.
In dieser grossen Not konnte SWISSAID Lebensmittel und Saatgut bereitstellen und das Leid der Bedürftigsten etwas lindern: 68’894 Menschen erhielten dank der schnellen Hilfe von SWISSAID Lebensmittelpakete, 470’000 Kilogramm Nahrungsmittel mit Getreide, Speiseöl und Salz wurden verteilt. Dank den Saatgut-Paketen konnten die Familien wieder Gemüse anbauen und sich selbst versorgen.

Wegen der Trockenheit konnten wir das spärliche Saatgut nicht richtig aussäen.
Djamila Abdoulaje, 30, Bäuerin und Mutter von vier Kindern
Hungerkrise im Niger
Erneute Lebensmittelknappheit und Ernteausfälle
Nun geht der Leidensweg der Menschen weiter. Vor einigen Wochen wurde das Land erneut von schweren Dürren und Überschwemmungen heimgesucht. In den Regionen Dosso und Tillabéry zeigen die weggespülten Äcker ein Bild der Verwüstung und durch den Ausfall der Ernten hat sich die Hungersituation dramatisch verschärft. Weil ihre letzten Vorräte aufgebraucht sind, verlassen bereits zahlreiche Familien ihre Dörfer.

In den vergangenen Jahren waren die Ernten sehr schlecht. Vor zwei Jahren hatte ich die Hoffnung, dass die Ernte gut ausfallen würde. Aber die starken Überschwemmungen zerstörten mein ganzes Feld.
Mariama Bagué, 47, Bäuerin und Mutter von fünf Kindern
Eine bereits kritische Situation
Nach UNO-Schätzungen leidet derzeit fast jede zehnte Person im Niger an akutem Hunger. Am schlimmsten betroffen sind die Allerärmsten, über 2,8 Millionen Menschenleben sind bedroht. Laut der UN kann diese Zahl während der sogenannten «Hungermonate», also der Zeit vor der nächsten Ernte, schätzungsweise auf über drei Millionen ansteigen. Die Ursachen sind vielfältig: Die Dürre- und Überschwemmungszyklen werden immer intensiver, die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Preise in die Höhe getrieben und die Menschen haben sich noch nicht von den Folgen der katastrophalen Ernten der letzten Jahre erholt.
Gemäss der Hungermap des World Food Programmes (WFP) kann sich praktisch die ganze Population nicht mehr ausreichend ernähren (oben links im Ländersuchfeld zu Niger navigieren).

Ich hatte nichts zu essen. Nicht einmal Hirse, um Brei zu machen, konnte ich finden. Dank der Unterstützung von SWISSAID habe ich Hirse, Salz und Öl erhalten. Jetzt können wir zweimal pro Tag essen und meine Kinder müssen nicht mehr hungern.
Mamou Amadou, 45, Bäuerin und Mutter von 6 Kindern
Notfallplan für die hungerleidenden Menschen
Nun zahlt sich die lokale Verankerung von SWISSAID seit über 40 Jahren einmal mehr aus: Das SWISSAID-Büro im Niger konnte über Kontakte vor Ort schnell reagieren und für die Bedürftigen einen Notfallplan erarbeiten.
In einem ersten Schritt sichern Nahrungsmittelpakete das Überleben der am meisten gefährdeten Menschen. Mit Saatgut, das auch unter schwierigen Bedingungen keimt, und Schulungen in ökologischem Anbau verhindern wir weitere Ernteausfälle und wappnen die Bauernfamilien gegen zukünftige Naturkatastrophen.
Soforthilfe leisten mit Lebensmittelpaketen
Gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm (WFP) hat SWISSAID ein Nahrungsmittelpaket zusammengestellt, das das Überleben der am meisten gefährdeten Menschen für mindestens einen Monat sichert: Jede Familie erhält 50 kg Reis oder Hirse, 25 kg Bohnen, 5 l Öl, 10 kg jodiertes Salz und 2 Beutel angereicherte Babynahrung.
Dürreresistentes Saatgut und Bewässerung
Hochwertiges, resistentes und schnell wachsendes Saatgut und neue Bewässerungsmethoden sichern die nächste Ernte. Die Einführung von Gemüse, Moringa und Kartoffeln sorgt zudem dafür, dass die Anbaufläche vergrössert und Mangelernährung verhindert werden kann.
Schulungen in klimaangepasstem Anbau
Kleinbäuerinnen und -bauern lernen mittels ökologischen Anbaus, trotz schwieriger Bedingungen ihre Erträge zu steigern und Vorräte anzulegen. Damit sind sie für die Zukunft gestärkt und besser auf Dürren und Überschwemmungen vorbereitet. Die Begünstigten können an Schulungen zur Agrarökologie teilnehmen, und in jeder Interventionsgemeinde werden Anlaufstellen für Agrarökologie bereitstehen, um die Bauernfamilien bei der Produktion von organischem Dünger, der Herstellung von Kompost und verschiedenen agrarökologischen Methoden zu beraten.
Nachhaltige Nothilfe: Saatgutmesse, Ausbildungen und lokale Unterstützung
Nothilfe ist der erste und wichtigste Schritt in dieser Hungerkrise. Wir lassen nach der ersten Linderung die Menschen in Not aber nicht allein zurück. Wir bleiben vor Ort und unterstützen sie, widerstandsfähiger gegenüber extremen Bedingungen zu werden. So soll die Abwanderung verhindert werden:
- SWISSAID organisiert eine Saatgutmesse. Sie ist eine der wichtigsten Veranstaltungen für Bäuerinnen und Bauern. Sie lernen neues Saatgut kennen und erhalten Saatgut-Gutscheine zum Eintauschen. Zudem erlernen sie agrarökologische Methoden.
- In der Region Dogondoutchi plant SWISSAID gemeinsam mit ihren Partnern den Anbau von Hülsen- und Feldfrüchten. Sie sind gehaltvoller, haben bessere Nährwerte und sind resilienter als angereichertes Mehl, das nur für den kurzfristigen Einsatz bestimmt ist.
- Als Reaktion auf den Preisanstieg für Weizenmehl unterstützt SWISSAID 13 Bäckereien, die Brot aus lokalem Getreidemehl herstellen. Das wertet die lokalen Produkte auf, macht die Menschen weniger abhängig von importiertem Weizen und erhält Arbeitsplätze.
Für die Zukunft wünscht sich Mariama Bagué, nur eins: Ein Leben ohne Hunger, vor allem für ihre Kinder. «Ich hoffe, dass ich mir eines Tages nicht mehr ständig um das Essen Sorgen machen muss», so die fünffache Mutter. Auch Djamila Abdoulaje träumt von einem Leben ohne Hunger: «Meine Kinder und ich wollen nichts weniger, als vor Hungersnöten verschont zu bleiben.»