Während ProSpecieRara sich für die Nutzpflanzenvielfalt in der Schweiz einsetzt, engagiert sich Swissaid für ebensolche im globalen Süden. Was sind eure Schwerpunkte?

Wir engagieren uns seit 15 Jahren in Lateinamerika praktisch und politisch zum Thema Saatgut und setzen uns beispielsweise dafür ein, dass dieses frei verwendet werden kann. Grundsätzlich wäre in vielen Ländern des Südens viel weniger erlaubt als in der Schweiz. Es gibt Gesetze, die die freie Verwendung verbieten, teils drohen horrende Strafen, wenn man kommerzielles Saatgut weiterzieht und tauscht. Das bringt Kleinbauern in eine Abhängigkeit. Die Gesetze werden zwar kaum umgesetzt, weil die Infrastruktur dazu fehlt. Trotzdem ist es wichtig, hier den Finger darauf zu halten, denn mit der Umsetzung eines Gesetzes kann es plötzlich schnell gehen. Und natürlich ist es auch schwierig, eine Bewegung für frei zugängliches Saatgut aufzubauen, wenn niemand die Problematik kennt.

Wie geht ihr konkret vor?

Wir arbeiten viel mit bäuerlichen, dörflichen Saatgutbanken, sogenannten «Community Seedbanks», die in Netzwerken organisiert sind. Kleinbauern leihen das Saatgut aus und geben nach der Ernte dieselbe Menge Saatgut plus einen kleinen Zusatz zurück. Es sind Orte des Austauschs – auch von Wissen. Durch die Arbeit der Saatgutbanken werden lokale Sorten erhalten, ebenso werden verschwunden geglaubte Sorten wiederentdeckt. Allerdings befinden sich die Bäuerinnen und Bauern an der Grenze der Legalität und deshalb engagieren sich die Saatgutnetzwerke auch politisch, damit die Vermehrung und der Tausch von Saatgut nicht kriminalisiert werden. So bringen die Saatgutbanken die Kontrolle und das Wissen in die Hände der Kleinbauern zurück.

 «Saatgutbanken bringen die Kontrolle in die Hände der Kleinbauern zurück»

Simon Degelo, Verantwortlicher Dossier Saatgut und Biodiversität bei SWISSAID, im Interview mit Simone Krüsi, Redakteurin des Magazins „rara“ von Pro Specie Rara.

Ihr seid auch in Europa auf politischer Ebene aktiv – zum Beispiel gemeinsam mit ProSpecieRara im Rahmen der Initiative «No Patents on Seeds». Weshalb? Eure Arbeit betrifft doch den globalen Süden?

Das europäische Patentrecht betrifft den Süden nicht direkt, das stimmt. Aber einerseits setzen wir hier Standards: Wenn man in Europa Saatgut patentieren kann, ist es wahrscheinlicher, dass auch in Afrika Patentgesetze entsprechend interpretiert werden. Und andererseits: Wenn ein Saatgutmulti einmal ein Saatgutpatent in Europa angemeldet hat, steigt der Druck auf die Länder des globalen Südens, dieses ebenfalls anzuerkennen. Deshalb ist es wichtig, dass Saatgut weiterhin frei verwendbar bleibt – überall!