Global wird ein immer grösserer Teil des Saatguts von wenigen grossen Agrarkonzernen produziert. In Europa und Nordamerika gibt es nur noch wenige Bäuerinnen und Bauern, die eigenes Saatgut produzieren. Entsprechend geht die Vielfalt an traditionellen und bäuerlichen Sorten immer mehr verloren. Auch in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas wird das bäuerliche Saatgut immer mehr zurückgedrängt.

Hybridsorten und teilweise gentechnisch veränderte Sorten gewinnen hingegen an Terrain. Oft sind sie für die Kleinbauernfamilien die schlechtere Wahl, weil sie die versprochenen hohen Erträge nur unter Einsatz von teurem Kunstdünger und Pestiziden erzielen können. Zu dieser Entwicklung tragen auch fehlgeleitete Saatgutregulierungen bei: In vielen Ländern ist es verboten, bäuerliches Saatgut zu verkaufen oder zu tauschen.

SWISSAID fördert seit über 20 Jahren die Saatgutvielfalt, zum Beispiel mithilfe von Saatgutbanken wie hier in Nicaragua. Im Rahmen des Projekts „Semillas de Identidad“ wurde in Kolumbien und Nicaragua mit Partnern ein Netzwerk von Saatgutbanken aufgebaut. Seither wurden in den beiden Ländern 500 Saatgutsorten geschaffen. Und rund 12’000 Familien sind daran beteiligt!

SWISSAID ist dabei, auch im Niger, im Tschad und in Tansania ein solches Netzwerk zu schaffen, damit die Bäuerinnen und Bauern ihr Saatgut schützen und aufbewahren können.

 

 

Saatgutbanken zum Erhalt der Vielfalt

Viele Bäuerinnen und Bauern nehmen den Verlust ihrer traditionellen Sorten jedoch nicht ­einfach hin: Sie gründen Saatgutbanken, um ihre Sorten zu erhalten. In diesen Saatgutbanken lagern sie das Saatgut als Reserve ein, für den Fall einer Missernte, aber auch, um es mit anderen zu tauschen oder zu verkaufen.

Die Saatgutbanken sind auch ein Ort, wo die Menschen zusammenkommen, Wissen über die unterschiedlichen Sorten weitergeben und lernen, wie sie Saatgut von hoher Qualität herstellen können. Mehr noch: «Beim Erhalt des Saatguts geht es nicht nur um Samen, sondern darum unsere Territorien, unser Wasser, unsere Kultur und letztlich unsere Ernährungssouveränität wiederzuerlangen», sagt Melissa Gómez Gil, Saatguthüterin von Riosucio in Kolumbien.

Maricela Gironza, ebenfalls Saatguthüterin in Kolumbien, erklärt in diesem Video, wie wichtig es ist, das eigene Saatgut vermehren, tauschen und verkaufen zu können.

Weltweite Repression und Widerstand

Vor zehn Jahren wurde in Kolumbien der Tausch und Handel von bäuerlichem Saatgut per Gesetz verboten. Aufgrund dieses Gesetzes wurden mehrere Tausend Tonnen Saatgut beschlagnahmt und vernichtet. In Ländern wie Kenia und Ghana drohen sogar hohe Gefängnisstrafen für Bäuerinnen und Bauern, welche eigenes Saatgut weitergeben bzw. das intellektuelle Eigentum von Saatgutkonzernen durch das Vermehren von Saatgut verletzen. Einige Länder sind sogar im Begriff, ihre Regulierung weiter zu verschärfen.

Es ist daher höchste Zeit für ein Umdenken: Die Regierungen täten besser daran, die Bäuerinnen und Bauern zu unterstützen, welche sich für den Erhalt der Sortenvielfalt einsetzen, statt ihnen Steine in den Weg zu legen und sie sogar zu kriminalisieren. Letztlich ist es im Interesse aller, die Vielfalt von Nutzpflanzen zu erhalten, denn sie ist die Grundlage unserer Ernährung.