Der Bundesrat hat heute zwei wichtige entwicklungspolitische Dokumente verabschiedet – die Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz für die Jahre 2021 bis 2024 so­wie die Botschaft zu den Kapitalerhöhungen der IBRD, IFC und der Afrikanischen Entwicklungs­bank. Bei beiden steht der Privatsektor als Entwicklungsmotor im Fokus – dies auf Kosten einer globalen Vision von Nachhaltigkeit, die sich konsequent an der Agenda 2030 und dem Pariser Klimaabkommen ausrichten würde.

Im Mai 2019 hatten das EDA und das WBF erstmals einen erläuternden Bericht zur IZA in die öffentliche Vernehmlassung geschickt. Eine Rekordzahl von 249 Antworten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft gingen ein. Alliance Sud begrüsst, dass aufgrund der Ver­nehmlassung nun die Armutsreduktion wieder ins Zentrum der Botschaft zur IZA gerückt ist. Eben­falls erfreulich ist die Klarstellung, dass mit den Interessen der Schweiz die langfristigen Interessen an einer stabilen, sicheren und nachhaltigen Welt gemeint sind und nicht kurzfristige migrations- oder wirtschaftspolitische Interessen.

Die Agenda 2030 als Referenzrahmen für die Schweizer IZA wird nun im Text richtigerweise stär­ker hervorgehoben, allerdings ohne eine klare Vision zu formulieren, was eine globale nachhaltige Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 tatsächlich bedeutet. Auch beim vorgesehenen Ausbau der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor ist keine klare Strategie ersichtlich. So bleibt unklar, was genau mit den «neuen innovativen Finanzierungsinstrumenten» gemeint ist, wieviel Geld in diese Zusammenarbeit fliessen soll und zu welchem Zweck. Dies ist bedenklich, zeigen doch verschiede­ne Studien, dass die anvisierten Blended Finance-Instrumente vor allem in Ländern mittleren Ein­kommens etwas bewirken können, kaum aber in den ärmsten Ländern. Auch die Überprüfung eines tatsächlichen Entwicklungsnut­zens gestaltet sich aufgrund der Vielzahl involvierter Akteure bei dieser Art von Finanzierung oftmals schwierig. So stand just die in der Botschaft als positives Beispiel erwähnte Private Infrastructure Development Group (PIDG) kürzlich in der Kritik, weil sie nach wie vor massiv in Öl- und Gasprojekte in Entwicklungsländern investiert. Dies ist mit einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens unver­einbar.

Was den Finanzrahmen betrifft, scheinen die Ergebnisse der öffentlichen Vernehmlassung spurlos am Bundesrat vorbei gegangen zu sein. Obwohl 138 der eingegangenen Eingaben eine Erhöhung der Mittel für die IZA forderten (nur zwei forderten eine Reduktion, der Rest äusserte sich nicht zum Finanzrahmen), kürzt der Bundesrat die Gelder gegenüber dem Entwurf um 120 Millionen auf 11.25 Milliarden CHF. Ein Widerspruch auch, dass sich dadurch die anvisierte APD-Quote (aide publique au développement) von 0.45% auf 0.46% des Schweizer Nationaleinkommens (BNE) erhöhen soll. Ohne Asylausgaben, die ebenfalls der Entwicklungszusammenarbeit angerechnet werden, verharrt die Quote bei bloss 0,41% des BNE. Nicht nur der international mehrmals bestä­tigte Richtwert von 0.7%, sondern auch das vom Parlament 2011 gesetzte Ziel von 0.5% werden damit klar verfehlt. Angesichts wiederholter Milliardenüberschüsse in der Bundeskasse und der breiten Abstützung der IZA in der Schweizer Bevölkerung ist dies unverständlich.

Auch in der zweiten heute vom Bundesrat verabschiedeten Botschaft zu den Kapitalerhöhungen der beiden Weltbanktöchter IBRD (International Bank for Reconstruction and Development) und IFC (International Finance Corporation) sowie der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) fehlt die Vision einer gerechten, nachhaltigen Welt im Sinne der Agenda 2030 und des Pariser Klimaab­kommens. Alle drei Institutionen fördern privatwirtschaftliche Grossinvestitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern und setzen sich dafür ein, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Entwicklungsländern «stimmen», was in vielen Fällen mit Land- und Saatgutprivatisierung, Steuer­vorteilen für ausländische Unternehmen und Restriktionen beim Schutz der heimischen Wirtschaft einhergeht.

Schweizer Unternehmen profitieren stark von den Krediten der Entwicklungsbanken, vor allem von der IFC, welche 2019 1.3 Milliarden US-Dollar mit Schweizer Unternehmen co-investiert hatte und ebenfalls in die oben genannte Private Infrastructure Development Group involviert ist. Obwohl so­wohl die Weltbank wie auch die AfDB in den letzten Jahren verschiedene Klimaversprechen ge­macht haben, vertreten beide nach wie vor ein Entwicklungsmodell, das klar auf der Förderung von fossilen Energien aufbaut. Die von diesen Banken geförderten grossflächigen Infrastrukturprojekte sowie die Förderung der industriellen Landwirtschaft gehen zudem oft einher mit Vertreibungen, Umsiedlungen und massiver Repression der lokalen Bevölkerung.

Im Sinne einer nachhaltigen und gerechten globalen Entwicklung sollte die Schweiz ihre Stimm­rechte in diesen Institutionen dafür nutzen, den Fokus zu verschieben – weg von riesigen Infra­strukturvorhaben und der Förderung ausländischer Privatinvestitionen, hin zu einer Unterstützung lokaler KMUs in Entwicklungsländern, dem Aufbau lokaler Märkte und einer dezentralisierten nach­haltigen Energieversorgung. Dazu gehört auch der konsequente Schutz von zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort, die bei der Bekämpfung von Korruption und Menschenrechtsverletzungen eine zentrale Rolle spielen.

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