Meine letzte Reise führte mich im Jahr 2024 nach Guinea-Bissau. Ein etwas vergessenes, kleines Land am westlichsten Rand von Afrika, von wo aus Mitte des 18. Jahrhunderts portugiesische Schiffe mit Sklav:innen Richtung Amerika losgefahren sind. Das koloniale Erbe wiegt schwer: Guinea-Bissau wurde wie viele Länder Afrikas ausgeblutet, eine einseitig auf exportorientierte Monokulturen aufgebaute Landwirtschaft wurde durchgesetzt und die einheimische Bevölkerung enteignet.

Auf dem Weg zu unserem Büro fuhren wir in Bissau, der Hauptstadt, auch am Denkmal des Freiheitskämpfers Amílcar Cabral vorbei. Er führte Guinea-Bissau in den 1960er-Jahren nicht nur in die Unabhängigkeit, sondern war gleichzeitig Agraringenieur und eine der wichtigsten Figuren, wenn es darum ging, in Guinea-Bissau autonome und diverse Ernährungssysteme aufzubauen.

Von Kleinbäuerinnen gelernt

Bis heute hat dies in einigen bäuerlichen Genossenschaften Spuren hinterlassen. Die Kleinbäuerinnen bewirtschaften ihre Felder divers, züchten ihr eigenes Saatgut, lassen giftige Pestizide beiseite und nutzen die lokalen Märkte. Ähnliche Strömungen gab und gibt es auch in Nicaragua und Kolumbien.

Während im Westen noch die industrielle Landwirtschaft ihren Siegeszug antrat, setzten unsere lokalen Partner:innen, mit denen SWISSAID eng zusammenarbeitet, bereits auf den agrarökologischen Landbau. Ihrem fundierten Wissen ist es zu verdanken, dass SWISSAID die Agrarökologie vor mehr als 15 Jahren strategisch verankert hat. Heute ist der Ansatz, der Hungerbekämpfung mit Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit vereint, wissenschaftlich anerkannt und weit verbreitet.

Auf Augenhöhe – nicht erst seit gestern

Dass wir dank unserer Partner:innen im Süden auf die Methode gestossen sind, ist kein Zufall. SWISSAID setzt seit vielen Jahren auf einen engen Austausch. Unsere Büros vor Ort werden von «lokalen Beratungskomitees» unterstützt und helfen tatkräftig bei der Strategieplanung der Programme mit. Damit wird sichergestellt, dass das Wissen, das in jedem Land verwurzelt ist, nachhaltig aufgearbeitet wird und in unsere Arbeit einfliesst.

In der Strategie 2025–2028 erneuert und verstärkt SWISSAID diese Haltung. Wir setzen auf die Kenntnisse und Dynamiken vor Ort und verfolgen diese aktiv und aufmerksam und fördern ausgewählte Ansätze gezielt. Identifizieren wir gute Praktiken, vernetzen wir sie mit unserer institutionellen Erfahrung und spiegeln unsere Überlegungen an unsere Partner:innen in unseren Ländern zurück.

Wir wollen im obersten Steuergremium in der Schweiz mehr Stimmen aus dem Globalen Süden einbinden. Dazu gehört auch, dass wir unsere lokalen Strukturen weiter stärken und unseren Mitarbeitenden in den Koordinationsbüros mehr Gewicht geben, vor allem in der Ausrichtung der Landesprogramme.

Entdecken Sie unsere Strategie 2025-2028 (auf Englisch)

Wenig Spielraum vor Ort

Um diese Strategie auch tatsächlich voranzutreiben, braucht es mehr freie Mittel für den Globalen Süden. Bei den meisten vergebenen Mitteln werden von staatlichen Geber:innen oder von Stiftungen die geförderten Bereiche klar und streng definiert. Die Auflagen bezüglich Controllings sind stetig gewachsen. Die Flexibilität ist damit erheblich eingeengt.

Trotz dieser erschwerten Bedingungen wollen wir die Entscheidfindung hin zu den Partner:innen vor Ort verlagern. Wir sind daran, lokale Entwicklungsfonds in Projekte einzubauen, deren Verwendungszweck durch Akteure in unseren Ländern entschieden werden. Und wir lancieren Programme, die es uns erlauben, Partnerorganisationen unbürokratisch in ihrem Kampf gegen den Hunger zu unterstützen. Natürlich haben wir dabei stets im Blick, dass die Spenden und Gelder dort ankommen, wo sie wirklich gebraucht werden.

Herausfordernde Ziele

Unser Ziel bis 2028 ist, mindestens 30 Prozent unseres Südprogramms durch lokale Akteure bestimmen zu lassen. Dabei ist es SWISSAIDs Rolle, mit Geldgeber:innen solche Freiräume zu verhandeln, die die Selbstverwaltung vor Ort stärken, damit das Geld auch dort eingesetzt wird, wo es für die lokale Bevölkerung Sinn ergibt. Wenn wir erfolgreich waren, ziehen wir uns in letzter Konsequenz auch zurück.

Denn das Ziel ist so herausfordernd wie klar: Wir wollen mithilfe der Agrarökologie und der Gleichstellung der Geschlechter klimaresistente, gerechte und demokratische Ernährungssysteme aufbauen. Und zwar lokal. Vor Ort. Das ist die wirksamste Art der Entwicklungszusammenarbeit.