„Als Bäuerin mit nur einer halben Hektare Land konnte ich früher nicht vom Verkauf meiner Produkte leben, geschweige denn meine Kinder ernähren“, sagt Maria da Purificação Oliveira Chagas zu den Schweizerinnen und Schweizern, die für das Weltsozialforum nach Brasilien gereist sind. Maria da Purificação Oliveira Chagas, Koordinatorin im Camp „Paulo Cunha“ der brasilianischen Landlosenbewegung MST, führt die Besucherinnen und Besucher durch die Siedlung aus einfachen Bretterhütten. Das vor über 20 Jahren durch MST besetzte, damals brachliegende Land in Santo Amaro Bahia gehört heute nach langem Kampf mit den Behörden den Bäuerinnen und Bauern. Doch obwohl jede der 170 Familien nun genügend pflanzen und ernten kann, leben sie weiterhin in grosser Armut, Strom und Wasser fehlen meist. „Jeden Tag verbringe ich drei Stunden damit, mit meinem Esel Wasser im Fluss zu holen“ erzählt Maria da Purificação.

Brasilien: Vier Millionen Kleinbauernfamilien besitzen kein Land

In Brasilien besitzen 1 Prozent der Bevölkerung 46 Prozent des Landes. Aber nur 15 Prozent des sich in Privatbesitz befindenden Landes wird landwirtschaftlich genutzt, der Rest liegt brach. Zugleich besitzen rund vier Millionen Bäuerinnen und Bauern kein eigenes Land oder zu wenig, um davon leben zu können.

„Es herrscht Ausverkaufsstimmung“, empört sich Carlos Eduardo de Souza Leite, Geschäftsführer der lokalen NGO SASOP. „Seit dem Regierungsputsch 2016 und der Machtübernahme durch Michel Temer hat die Landspekulation durch ausländische Konzerne stark zugenommen. Das Agrobusiness mit seinen Monokulturen und hohem Einsatz an Pestiziden gewinnt immer mehr an Boden.“

Hormonfleisch hier, Waldrodungen, Klimawandel, Armut da

Während die Schweizer Regierung das Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur unter Dach und Fach bringen möchte, bekräftigen die Eindrücke aus Brasilien und die Diskussionen im Rahmen des Weltsozialforums, dass von der Liberalisierung vor allem „die Grossen“ profitieren werden, während Kleinbauernfamilien noch stärker unter Druck geraten. Denn beim freien Handel zählt in erster Linie der Preis. Gewinner sind jene Produzenten, die kurzfristig am günstigsten produzieren können – und das zumeist auf Kosten von Mensch und Umwelt.

So wird in Südamerika ein Grossteil der Rindfleisch- und Sojaproduktion von Cargill kontrolliert. Kleinbäuerinnen und Kleinbauern profitieren nicht von den Exporterleichterungen, im Gegenteil: Die ausländische Nachfrage heizt die Bodenspekulation weiter an und es wird für sie noch schwieriger, Land zu erhalten. Zudem sind die Produktionsbedingungen der Grossbetriebe nicht nachhaltig. Ähnlich wie in den USA wird auch das südamerikanische Rindfleisch immer öfter in „Feedlots“ produziert, die Rinder mit Soja gefüttert. Der Sojaanbau wiederum führt zu Waldrodungen und trägt so zum Klimawandel bei.

Kein Abkommen ohne Nachhaltigkeitskriterien

SWISSAID fordert deshalb, dass das Abkommen mit Mercosur zwingend an klare Nachhaltigkeitskriterien geknüft wird:

  • Schweizer Standards für Importfleisch: Der Import von Fleisch soll mit Kontingenten geregelt und diese müssen anhand bestimmter Kriterien vergeben werden. Somit werden die Schweizer Standards nicht untergraben und der Konsumentenschutz ist weiterhin gewährt. Der Gammelfleischskandal zeigte, wie wichtig eine korrekte Deklaration mit Angaben zur Herkunft und zu den Produktionsbedingungen sind.
  • Keine Hormone und keine Antibiotika: Fleisch aus Weidehaltung, welches ohne Hormone und antimikrobielle Leistungsförderer produziert wurde, soll im Freihandelsabkommen bevorzugt werden.
  • Keine Gentechnik: Weiterhin darf nur GVO-freies Soja in die Schweiz eingeführt werden. Der freiwillige Verzicht der Schweizer Landwirtschaft auf GVO-Soja darf nicht geschwächt werden.
  • Monitoring und Transparenz: Die Auswirkungen des Freihandelsabkommen mit Mercosur auf die Kleinbäuerinnen und -Bauern in Südamerika, die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft sowie die Folgen der intensiven Soja- und Fleischproduktion auf die Umwelt, insbesondere was die Abholzung des Regenwalds und die Degradation der Böden betrifft, dürfen nicht aus den Augen verloren werden. Wir fordern vom Bundesrat eine entsprechende Berichterstattung.

Den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im Süden muss Gehör verschafft und ihre Rechte geschützt werden. Die Schweiz darf sich nicht an der durch die industrielle Landwirtschaft vorangetriebenen Ausbeutung von Mensch und Umwelt beteiligen.